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Attributionsforschung: Ist das jetzt noch Wetter oder schon Klima?

Last updated on 16. Oktober 2022

Die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021. Der Dürresommer in Deutschland 2022. Zwei Sommer hintereinander haben wir extremes Wetter. Aber sind beide Ereignisse bereits dem Klimawandel zuzuschreiben oder einfach eine Laune der Natur? Und – wie kann man das eigentlich herausfinden?

Deswegen müssen wir darüber sprechen

Auch in unseren Breitengraden merken wir allmählich eine Veränderung des Wetters. Lange trockene Phasen werden nur kurzweilig vielerorts durch kurzes Unwetter gestört. Bisher konnten diese Unwetter allerdings nicht auf einzelne Wetterereignisse bezogen werden. Wenn Meteorolog:innen gefragt wurden, ob Hitzewellen oder Überschwemmungen aufgrund der Klimakrise passierten, wurde bisher geantwortet, dass der Klimawandel sich lediglich in langfristigen Trends zeige und einzelne Ereignisse sich nicht direkt zurückführen lassen. Ein Argument: Die Definition von Wetter ist der Zustand an einem bestimmten Tag. Von Klima sprechen wir, wenn man einen Zeitraum von 30 Jahren betrachtet. Doch in den letzten Jahren hat sich ein Wissenschaftsgebiet etabliert, dem genau diese Zuordnung gelingt – die sogenannte Attributionsforschung. Sie revolutioniert nicht nur die Klimawissenschaft, sondern hat auch direkten Einfluss für unseren Klimaschutz.[1]

Offizielle Definition Attributionsforschung: Zuordnung von Zusammenhängen beim Auftreten von Wetterphänomenen und dem menschengemachten Klimawandel.

Wie kann der Klimawandel zu Wetterextremen führen?

Der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen und deren Intensität. Eine um 1 °C erwärmte Atmosphäre kann 7 % mehr Wasser aufnehmen. Das bedeutet, dass in trockenen Gebieten bei höheren Temperaturen mehr Wasser verdunstet. Die warme Luft kann somit mehr Wasser aufnehmen und an anderer Stelle fällt dies als Regen wieder auf die Erde herab.  Nach den meisten Klimamodellen wird es dort, wo es trocken ist, noch trockener und wo es bereits heute Überschwemmungen gibt, werden diese noch zunehmen.[2]

Desweiteren hat sich in Folge des Klimawandels der Jetstream (Starkwindband) abgeschwächt. Das Weiterziehen von Wetterlagen ist dadurch verlangsamt und hat zur Folge, dass Hitze und Kälte länger an Ort und Stelle verharren, als das noch vor einigen Jahren der Fall war.[3]

Was ist Attributionsforschung?

Mithilfe der „Attributionsforschung“ lässt sich abschätzen, inwieweit der menschengemachte Klimawandel für das Auftreten von Wetter- oder Klimaextremen verantwortlich ist. Im Bereich der Klimawissenschaften wird konkret untersucht, ob der voranschreitende Klimawandel bereits zu einer geänderten Häufigkeit von Extremereignissen geführt hat. Der Begriff Attribution bezeichnet dabei die Zuordnung von Ursache und Wirkung bei Wetterphänomenen wie z.B. bei Dürren, Hitzewellen, Kälteeinbrüche und Regenfälle.[4]

Wie arbeitet dieses Forschungsfeld?

Es werden zwei Welten mit unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse simuliert. Eine Welt mit Berücksichtigung aller bekannter Klimaantriebe und die andere Welt lediglich mit den natürlichen Antrieben (z.B. Vulkanausbrüche, Änderungen der solaren Einstrahlungen) aber ohne die durch den Menschen veränderten Antriebe (wie z.B. Ausstoß von Treibhausgasen). Hierdurch lässt sich eine Welt simulieren, wie sie sich ohne den Einfluss des Menschen entwickelt hätte. Durch den direkten Vergleich beider Klimata lassen sich Unterschiede bezüglich der Häufigkeit von Wetterphänomenen quasi 1:1 dem menschlichen Handeln zuschreiben.[5]

Gibt es Grenzen dieser Forschungsart?

Die Klimamodelle und die Studien liefern viele Ergebnisse und neue Erkenntnisse, dennoch stößt die Attributionsforschung an ihre Grenzen. Das Forschungsfeld ist noch sehr jung und teilweise liegen noch unzureichende wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Bei Hitzewellen ist es in der Forschung bereits möglich, kausale Zusammenhänge zum Klimawandel zu ziehen. Die Ableitung in Bezug auf kleinräumige Phänomene wie bei Tornados oder Sturzfluten ist jedoch schwieriger. Eine weitere Herausforderung sind regionale Unterschiede in der Datenerfassung. Liegen nicht genügend Daten über Klimabedingungen vor, erschwert dies die Attributionsforschung.[6]

Attribution von einzelnen Extremereignisse

Sind alle Voraussetzungen gegeben, kann die Eintrittswahrscheinlichkeit für ausgewählte Extremereignisse ausgewertet und dem menschengemachten Klimawandel zugeordnet werden. Dabei werden die einzelnen Ereignisse mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit angegeben, also wie häufig mit dem Eintritt eines Extremereignisses für eine bestimmte Region gerechnet werden muss.[7] Die Wiederkehrperiode für eine Hitzewelle wie beispielsweise im Jahr 2018 in Deutschland liegt bei 10 Jahren. Ohne den Einfluss des menschengemachten Klimawandels würde ein solches Ereignis nur alle 50 bis 100 Jahre vorkommen.[8]

Flutkatastrophe in Heppingen (Ahrtal) im Jahre 2021

Auch die Hochwasserkatastrophe 2021 in Ahr und Erft konnte mithilfe einer Attributionsstudie dem Klimawandel zugeordnet werden.[9] Zu den verheerenden Niederschlägen in ganz Westeuropa konnten die Wissenschaftler hierbei feststellen, dass sich die maximale Niederschlagsmenge durch den Klimawandel insgesamt um 3-19% erhöht hat. Zudem sei zu erwarten, dass solche Starkregenereignisse unter den gegenwärtigen Klimabedingungen deutlich häufiger auftreten.[10]

Wozu dienen Attributionsstudien?

Die Forschungsergebnisse werden genutzt, um wichtige Zielgruppen – die Politik, die Wissenschaft und die Gesellschaft – zu informieren. Zu dem Forschungsgebiet gehört die Information zur Risikoreduzierung für zukünftige Ereignisse sowie das Bewusstsein der Bevölkerung über die steigenden Extremereignisse und die Relevanz zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen.[11]

Und JETZT? 

Jedes Jahr sterben tausende Menschen an Wetterereignissen in Europa. Extremwetterereignisse sind sehr stark an menschliche Schicksale geknüpft und daran kann man deutlich machen, was der Klimawandel ganz konkret bedeutet: Dass es sich nicht um etwas Abstraktes handelt, das lediglich an der globalen Mitteltemperatur gemessen wird, sondern eben im Hier und Jetzt stattfindet. Der Klimawandel betrifft uns bereits heute direkt und deswegen ist die Attributionsforschung wichtig, weil sie konkrete Erlebnisse mit der Theorie von Klimawandel zusammenbringt. Sie ist somit ein wichtiger Baustein, den wir Menschen in der Klimakommunikation brauchen.[12]

Eins ist klar: Wir müssen uns zukünftig auf Extremwetter vorbereiten und uns anpassen. Dabei kann es sinnvoll sein, eine Warn-App herunterzuladen. Diese können dich über Katastrophen und Bevölkerungsschutz informieren. Weit verbreitete Apps sind beispielsweise NINA und KATWARN.

Neben Anpassungsstrategien, dürfen wir nicht vergessen, dass wir noch handlungsfähig sind und der Klimawandel sich in seinen Folgen reduzieren lässt. Wir brauchen die Einsicht zum ernst der Lage und dass es sich lohnt, heute bereits aktiv zu werden.[13] Nicht nur Personen mit politischem Einfluss auf den Klimaschutz, sondern auch jede:r als Privatperson hat Möglichkeit einen Beitrag zu leisten. Dabei führen viele kleine Schritte zum großen Ganzen.[14] Auf unserem Blog erhältst du mit der Klimachallenge eine praktische Übersicht für einen gelungenen Start.



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