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Der CO2-Fußabdruck unseres digitalen Lebensstils

Last updated on 26. November 2021

In diesem Monat haben wir euch innerhalb unserer Klimachallenge zum „digitalen Fasten“ aufgerufen. Dabei geht es auch um unseren digitalen Co2-Abdruck. Wir haben uns gefragt: Wie gravierend ist der digitale CO2-Fußabdruck eigentlich? Was bedeutet das für uns und wie kann ich trotzdem noch meine Lieblingsserie streamen?


Deswegen müssen wir darüber sprechen

Wir klicken zweieinhalb Stunden am Tag auf unserem Handy rum: 88 Mal am Tag tippen wir den Bildschirm an. Manchmal nur, um die Uhrzeit abzulesen. Aber auch 53 Mal, um mit dem Telefon zu interagieren. Das sind 53 substanzielle Unterbrechungen pro Tag! Bezogen auf einen 16-Stunden-Tag schalten wir alle 18 Minuten unser Handy an. Dies sagen Forscher des deutschen «Menthal Balance»-Projekts, die über eine App das Verhalten von 60.000 Smartphone-Nutzern beobachtetet haben.

Die Folgen daraus sind:

  • Wir arbeiten heute unkonzentrierter und machen mehr Fehler. Dauernde Ablenkungen und Unterbrechungen kosten uns Fokus und Tiefe.
  • Wir trainieren unser Gehirn heute schlechter, weil wir lieber Google fragen oder Navigationssysteme nutzen, statt uns Dinge zu merken.
  • Es gibt mittlerweile in fast allen Industrienationen Nachweise für eine schlechtere Schlafqualität und Schlafdauer in der Bevölkerung, u.a. aufgrund des hohen Digitalkonsums in den späten Abendstunden. Dadurch nimmt die Erholungsfähigkeit ab und der subjektiv empfundene Stress zu. Das Gehirn kommt kaum noch zur Ruhe.
  • Oftmals fehlen Momente, in denen wir unseren Gedanken einmal völlig freien Lauf lassen können, um neue Informationen zu verarbeiten und in unserem Gehirn weiterzuentwickeln.

Neben den gesundheitlichen Folgen gibt aber noch einen weiteren Grund, warum wir heute über unseren digitalen Lebensstil sprechen möchten: Auch unsere digitale Welt hat einen Fußabdruck.

Das Internet funktioniert über große Server, die 24 Stunden und 365 Tage im Jahr laufen und Strom brauchen. Jede Datei muss durch verschiedene Server geleitet werden, Suchanfragen müssen verwaltet und Dateien gespeichert werden. Dabei wird Energie verbraucht und es entsteht Wärme. Damit die großen Serverfarmen optimal laufen, werden Serverräume klimatisiert und bei möglichst konstanten und kühlen 22 bis 24 Grad Celsius gehalten.

Wieviel Co2 verursacht meine Google Anfrage?

Vlad Coroamă (Dozent und Oberassistent am Departement Informatik der ETH Zürich) sagte in einem SRF-Interview aus dem Jahre 2020, dass ein Harvard-Forscher im Jahr 2009 einmal behauptete, dass eine Google-Suche 7 Gramm CO2 verursache. Dies sei in seinen Augen schon damals übertrieben gewesen. Google selbst sprach angeblich von 0,2 Gramm, was allerdings vor 10 Jahren gewesen sei. Seither ist laut seiner Aussage die Effizienz um 15 bis 20 Prozent gestiegen – pro Jahr.

Auf der anderen Seite hat Jens Gröger vom Öko-Institut einmal eine grobe Auflistung aller IT notwendigen Komponenten zusammengerechnet. Hierbei kam er zu dem Ergebnis: Nutzen wir die Suchmaschine mit 50 Suchanfragen pro Tag, so verursacht dies CO2-Emissionen in Höhe von 26 Kilogramm pro Jahr. (Leseempfehlung: Wie viel Co2 darf ich ausstoßen?)

Das Problem: Der Stromverbrauch

„Wäre die Cloud ein Land, hätte sie den sechsthöchsten Stromverbrauch weltweit.“

Greenpeace

Das Kernproblem der Digitalisierung ist der Stromverbrauch. Die gesamte Netzinfrastruktur zusammengerechnet verbraucht allein in Deutschland im Jahr etwa 58 Terawattstunden – das sind etwa 10 mittlere Kraftwerke, die allein für die digitale Welt Strom erzeugen. Allein in Frankfurt, wo sich die Rechenzentren in Deutschland konzentrieren, fließen etwa 20 Prozent der städtischen Energie in den Betrieb der Serverfarmen. Das ist mehr als der Frankfurter Flughafen verbraucht. Man schätzt, dass der weltweite Energieverbrauch des Informations- und Kommunikationssektors (ITK) etwa 3,7 % der globalen Treibhausgasemissionen entspricht. Als Vergleich dazu: Der Luftverkehr verursacht ca. 2,5 % der globalen CO2-Emissionen.

Quelle: Bundesregierung

Und der Stromverbrauch wird auch in Zukunft durch die „Elektrifizierung der Dinge“ steigern. Immer mehr Geräte werden mit dem Internet verbunden. Seit 2018 gibt es sogar eine Dusche mit Sprachassistent und das autonome Fahren wird auch weiter vorangetrieben. Ein autonom fahrendes Auto generiert und konsumiert auf einer achtstündigen Fahrt im Übrigen laut dem Energiekonzern EnviaM etwa vier Terabyte Daten. 1,5 Millionen autonome Autos erzeugen dann so viele Daten wie die gesamte heutige Bevölkerung, die online ist.

Durch das „Internet of Things“, wie das autonome Fahren oder auch die Dusche mit Sprachassistent genannt wird, rechnen Experten wie Dr. Ralph Hintemann laut einem Quarks-Beitrag mit einem Mehrenergieaufwand von 70 TWh pro Jahr in der EU. Das ist mehr als 10 Prozent der Bruttostromerzeugung in Deutschland und mehr Strom, als Deutschland gerade mit Wind- und Solarkraft erzeugt. Darüber hatten wir auch in unserem Beitrag über die Energiewende gesprochen.

Und noch etwas: Ähnlich wie bei unserem ökologischen Fußabdruck müssen wir folgendes bedenken: Es kommen noch mehr Menschen hinzu, die bei der aktuellen Verbrauchslage noch gar nicht einbezogen werden konnten. Laut Report der Digital-Agentur „We Are Social“ sind nur rund 60 Prozent der Weltbevölkerung, also 4,57 Milliarden Menschen, mit Smartphones, Tablets, Laptops und klassischen PCs online. Die Hälfte der Weltbevölkerung nutzte im Jahr 2020 erstmals soziale Medien.

Daher hinkt der vorangegangene Vergleich zwischen Stromverbrauch des Flughafen und Stromverbrauch der Server auch etwas. Man kann nämlich stark davon ausgehen, dass die Server in Frankfurt von mehr Menschen „benutzt“ werden, als der Frankfurter Flughafen. Die Digitalisierung betrifft also im Vergleich zum Fliegen mehr Menschen dieser Erde als die Möglichkeit einen Flugzeug zu benutzen.

Kann uns die Digitalisierung nicht helfen beim Klimawandel?

Doch. Eine Digitalisierung kann uns enorm helfen, dem Klimawandel entschieden etwas entgegen zu treten. Nehmen wir uns zwei Beispiele heraus:

Das mobile Arbeiten

Wer im Home Office arbeitet, kann seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren.

Arbeiten im Home Office kann uns enorm helfen, unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Digitale Technologien führen beim mobilen Arbeiten zu flexiblerer Zeitplanung, geringeren operativen Kosten und einer geringeren Verkehrsbelastung. Laut einer Bitkom-Studie aus dem Jahre 2021 wurde aufgrund der Einführung von mobilem Arbeiten in einem Unternehmen in den USA rund 20 Mio. Liter Benzin durch die Reduzierung von Fahrten zur Arbeit eingespart.

Und nicht nur bei Personen, die „Schreibtischhelden“ sind, hilft das Internet. Digitalisierte Krankenakten helfen innerhalb eines Krankenhauses bei der Kommunikation eines Patientenfalls – auch ortsübergreifend. In der Landwirtschaft führt die Digitalisierung zu effizienterem und genauerem Arbeiten bei der Ernte und in der Fertigung hilft uns die Digitalisierung unter anderem, die Ressourvenverschwendung zu minimieren.

Notwendige Handlungsbereiche erkennbar machen

Durch die Messung unseres aktuellen Verbrauchs und unseres Fußabdruckes, ist es uns erst möglich zu erkennen, wo Handlungsbedarf besteht. Die Messungen der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration an den Messstationen des Umweltbundesamtes Schauinsland (Südschwarzwald) und auf der Zugspitze zeigte ja beispielsweise, dass wir erstmals im Jahresdurchschnitt über 400 ppm lagen.

Jede Maßnahme, die eingeleitet wird, muss messbar gemacht werden.

Coesfeld for Future

Dabei und bei der weltweiten Verknüpfung hilft das Internet. Und dann helfen uns intelligent vernetzte Steuergeräte sparsamer mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. 

Und JETZT?

Wir sehen also, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit durchaus etwas gemeinsam haben, gleichzeitig ist die Digitalisierung aber auch Motor für mehr Konsum und Verschwendung und führt oftmals zu dem sogenannten Rebound-Effekt. Nun liegt es also auch an uns, hier einen Wandel in unserem persönlichen Bereich einzuleiten.

Reduziere deinen digitalen Co2-Fußabdruck – starte eine Digitalwende

  • Wechsel zu einem echten Ökostrom-Anbieter und plane, falls möglich, den Start deiner eigenen Energieversorgung durch eine PV-Anlage
  • Nutze ausschließlich Grüne Suchmaschinen wie Ecosia
  • Ziehe um zu einem alternative Mail-Anbieter wie z.B. Posteo
  • Falls du eine Website hast: Wechsle zu einem Grünen Webhosting-Anbieter wie z.B. Manitu
  • Suche nach einem Anbieter im Bereich des Nachhaltigen Telefonierens und Surfens.

Beobachte deine Gewohnheiten

Wenn du nun den ersten Schritt gemacht hast, ist die Basis gesetzt. Aber auch Ökostrom wird nicht soweit helfen. Um den Rebound-Effekt zu minimieren, musst du an deine Gewohnheiten ran! Hier ein paar Ansätze:

  • Reflektiere deine „digitalen“ Helfer. Macht es wirklich Sinn, dass dein Duschkopf eine Sprachfunktion hat? Muss dein Kühlschrank dir wirklich sagen, dass die Milch leer ist oder reicht nicht einfach ein Blick hinein? Ja- es ist durchaus charmant, den neusten Trend mitzunehmen. Aber nicht immer ist dieser notwendig und noch weniger oft ist er sinnvoll.
  • Benutze, Smartphone, Laptop oder Fernseher sparsam. Konzentriere dich auf ein Gerät und lasse andere nicht parallel laufen. Schalte den Laptop aus und klappe ihn nicht nur zu, wenn du ihn länger nicht brauchst. Schalte auch dein Handy mal aus – dafür gibt es auch gesundheitliche Gründe.
  • Streame bewusst. Deaktiviere die Autoplay-Funktion und schau dir nur die Inhalte an, die dich wirklich interessieren. Wenn du bei Videos die Auflösung etwas niedriger einstellst, spart das Datenvolumen. Auf Spotify oder anderen Musikdiensten kannst du dir deine Lieblingssongs downloaden. So musst du sie nicht jedes Mal neu laden, um sie anzuhören.
  • Sprachanrufe sind sparsamer als Videoanrufe. „Bei Videokonferenzen bzw. Online-Seminaren können Datenmengen reduziert werden, indem die nicht-aktiven Teilnehmer:innen Mikrofone und Videokameras abstellen“, rät Jens Gröger.
  • Schalte deinen Router auch mal aus. Internet-Router verbrauchen dauerhaft viel Energie. Das muss nicht sein: Richte über die Online-Benutzeroberfläche deines Router Zeiträume ein, in denen das W-LAN sich abschaltet (– zum Beispiel nachts).
  • Praktiziere digitalen MinimalismusRäume zum Beispiel mal dein Postfach auf und lösche Mails, die du nicht brauchst. Auch andere Dateien, die du in der Cloud oder online gespeichert hast, kannst du auf eine Festplatte umziehen.

Quellenangaben

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