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Wasser ist wichtig. Wasser ist bedrohlich.

Last updated on 2. Oktober 2022

Am 23.09.2022 sind weltweit in rund 270 Städten rund 280.000 Menschen auf die Straße gegangen, um ein Zeichen für mehr Klimaschutz zu setzen. Wir dürfen hier zwei Klimastreikreden aus Dülmen veröffentlichen. Danke an die Redner:innen für ihre Gedanken und die Freigabe, ihre Reden hier zu veröffentlichen. 


Es hat endlich geregnet! Nach monatelanger Dürre und mehreren viel zu trockenen Jahren in Folge. Wasserknappheit ist nur eines der vielen Gesichter der Klimakatastrophe. Es wird nicht nur einfach ein bisschen wärmer.  

Wasser ist wichtig. 

Wasser brauchen wir zum Trinken und damit die Pflanzen wachsen können, von denen wir leben. Unser Körper besteht zu über der Hälfte aus Wasser. Mittwoch war ich auf einer Fortbildung im biologischen Zentrum. Wir haben Bodenproben genommen. Trotz des Regens in den letzten beiden Wochen fehlt Wasser. Der Boden ist aktuell nur wenige Zentimeter tief feucht. Viele Straßenbäume und Pflanzen in den Gärten und auf den Äckern sind diesen Sommer vertrocknet oder konnten nicht richtig wachsen, große Flüsse waren fast vollständig verschwunden, der Boden ist, wie schon in den letzten Jahren, immer noch bis in mehrere Meter Tiefe ausgetrocknet. 

Wasser ist lebensnotwendig. 
 
In Pakistan steht ein Drittel der Landfläche unter Wasser. Häuser wurden weggerissen, Straßen und Bahnlinien, Krankenhäuser und Schulen zerstört,  unzählige Menschen sind ums Leben gekommen oder heimatlos. 
 

Wasser ist bedrohlich, lebensgefährlich, zerstörerisch. 

Und trotzdem fehlt es auch in Pakistan, denn es gibt kein sauberes Trinkwasser, Krankheiten breiten sich aus. Das ist nicht „weit weg“ und “ kann uns nicht passieren“, das haben wir letztes Jahr an Ahr und Erft gesehen. Dieses „Jahrhundertereignis“ wird keins bleiben, solche Wetterextreme werden häufiger. Auch bei uns. 


Wenn es warm ist, verdunstet Wasser.

Die Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf, je wärmer sie ist. Wir sind verantwortlich dafür, dass sie immer wärmer und damit feuchter wird. Und feuchte Luft führt zu häufigeren und heftigeren Unwetterereignissen. Mit der von uns verursachten Erwärmung der Erdatmosphäre haben wir es tatsächlich geschafft, zwei auf den ersten Blick völlig gegensätzliche Probleme gleichzeitig zu verursachen: Das verfügbare Wasser minimiert und das Überschwemmungsrisiko maximiert. Aber das ist noch nicht alles.

Wasser hat noch einen dritten Aggregatzustand.

Was gab es zum Eis zuletzt für Meldungen? In Spanien fehlten im Sommer Eiswürfel. Die Dülmener diskutieren über die Eisbahn auf dem Marktplatz. Ein Gletscher des Westantarktischen Eisschildes, der Thwaites, (auch Doomsday-Glacier, also Weltuntergangsgletscher genannt), taut, das haben Forscher:innen gerade veröffentlicht, auch an der Unterseite und daher noch schneller als bisher angenommen. Ein Wissenschaftler sagte dazu:

der Thwaites hält sich nur noch mit den Fingernägeln fest

Bricht er ab, werden große Massen des dahinter liegenden Eisschelfs nachrutschen und können einen Meeresspiegelanstieg von einem bis mehreren Metern verursachen. Zur Einordnung: Schon mit einem Meter Meeresspiegelanstieg liegen Bremen und Oldenburg an der Küste.  Ich verstehe einfach nicht, warum da nicht bei ALLEN die Alarmglocken angehen! Das alles ist eine reale Bedrohung!  Sowohl zu viel als auch zu wenig Wasser und sogar feuchte Luft und festes Eis ist bedrohlich. Es bedroht unsere Lebensgrundlagen, unsere Zukunft und die unserer Kinder. 
 
Und das ist nur das Wasser. Von Hitzewellen oder Waldbränden habe ich gar nicht geredet. Wenn wir nicht bald und konsequent handeln, wird die Erde in viel kürzerer Zeit, als die bisherigen Modelle prognostiziert haben, zu einem sehr ungemütlichen Ort werden.

Unsere Kinder werden bis zum Ende des Jahrhunderts eine vollständig andere Welt erleben. 

Das Artensterben wird rasant fortschreiten. Ernteausfälle, Hitzewellen, Dürre, Brände, Stürme, Überschwemmungen werden keine Extreme mehr, sondern Normalität sein. Die Welt wird lebensfeindlich, unberechenbar, unwirtlich werden.  Dass die Menschheit dann solidarisch zusammenhält, erscheint aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. 

Ich will das nicht!  

Ich will aber auch nicht verzweifeln, ich will kämpfen. Ich will, dass unsere Kinder und Enkelkinder den Planeten in einem anderen Zustand erleben. Dass sie die Schönheit und Artenvielfalt genießen können, die wir heute kennen. Und darum sind wir heute hier und auf der ganzen Welt auf der Straße. Dafür reicht es nicht, selber so klimafreundlich und nachhaltig wie möglich zu leben, dafür ist es nötig, dass auch politisch der richtige Rahmen gesteckt wird. Kommunal hier in Dülmen, im Kreis Coesfeld, in NRW, im Bund, in Europa und global.  Nur so können wir es schaffen, zumindest in die Nähe des 1,5°C-Ziels zu kommen. Erreichen können wir es schon jetzt nicht mehr, aber umso dringender und energischer müssen wir um jedes !! Zehntel !! Grad !! kämpfen. 

Darum rufen wir mit den Fridays „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass sie damit richtig liegen. Dass unser Verhalten gravierend in ihr Recht auf Zukunft eingreift. Darum stehen wir alle heute hier, um zu zeigen, dass wir für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder kämpfen. Dass wir Gerechtigkeit fordern, für alle Erdteile und alle Generationen. Dass wir das dafür nötige politische Handeln lautstark einfordern!! 

Meine Rede klang bis hier ziemlich dystopisch. Das ist die Realität, ich kann das nicht schönreden. Aber es gibt Fortschritte und wir dürfen nicht frustriert aufgeben.  Seit wir das erste Mal mit fast 2.000 Menschen durch Dülmen gezogen sind, ist hier und weltweit schon einiges passiert.  Gestern wurde in der Stadtverordnetenversammlung der sachliche Teilflächennutzungsplan Windenergie einstimmig verabschiedet.  
Emmanuel Macron hat Frankreichs ersten Offshore-Windpark eingeweiht.  Auf immer mehr Dülmener Dächern und auf dem Silbersee sieht man PV-Anlagen, in vielen Vorgärten Luft-Wärmepumpen.  

Wir können das Schlimmste noch verhindern. Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen! 


Über die Rednerin:

Lotte (Jahrgang 1975) ist Biologin, Mutter und Lehrerin. Sie hat als Teenagerin „Die Grenzen des Wachstums“ gelesen und fragt sich seitdem, wie es sein kann, dass die jeweiligen Regierungen das wirklich nicht wissen oder ob sie einfach die Menschheit absichtlich an die Wand fahren lassen. 2019 hat es ihr gereicht und sie wurde zunächst in der Klimabewegung, dann kommunalpolitisch aktiv.

Lottes Meinung:
Die Natur auf unserer Erde ist unglaublich schön und beeindruckend mit ihrer Artenvielfalt und erstaunlichen und faszinierenden Anpassungen. Wir zerstören das gerade rasant. Wir dürfen wir uns diese Rücksichtslosigkeit gegenüber allen anderen Lebewesen und den nachfolgenden Generationen nicht herausnehmen, wir sind verantwortlich dafür, diesen wunderbaren Lebensraum zu erhalten und unseren Kindern in gutem Zustand zu hinterlassen. Wir müssen unseren Lebensstil radikal ändern, denn wir stehlen ihn von den Menschen im globalen Süden, von den Menschen in der Zukunft und von unzähligen anderen Arten, die das gleiche Recht auf diesen Planeten haben wie wir.

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