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Die Versiegelung unserer Flächen und die Währung der Ökopunkte

Last updated on 4. November 2022

Täglich werden etwa 10 Hektar Land in NRW versiegelt.[1] In Deutschland sind insgesamt 44 % der Siedlungs- und Verkehrsflächen bebaut, betoniert, asphaltiert oder gepflastert (Stand 2020).  Dadurch gehen wichtige Bodenfunktionen verloren, vor allem die Wasserdurchlässigkeit und die Bodenfruchtbarkeit ist beeinträchtigt.[2] Welche Auswirkung die Flächenversieglung für die Natur und Umwelt hat und was hinter dem Begriff Ökopunkten steht, erfährst du hier.

Definition: Ökopunkte sind eine Werteinheit für den Eingriff in die Natur, mit der die Versiegelung von Flächen ausgeglichen werden soll.

Was sind Ökopunkte?

Wenn Baumaßnahmen die Natur zerstören, dann muss diese Zerstörung ausgeglichen werden. Dies regelt die Eingriffsregelung zur Durchsetzung des Naturschutzes beim Bauen . Mit dieser Regelung sollen Schäden innerhalb der Natur und Landschaft vermieden oder zumindest minimiert werden. Alle nicht vermeidbaren Eingriffe sollen mithilfe von Ökopunkten ausgeglichen werden. Die Ausgleichsmaßnahme sieht im Idealfall vor, dass für eine entwertende Fläche möglichst ortsnah und dauerhaft eine neue Naturfläche oder ein gleichwertiger Ersatz geschaffen wird.[3]

Wann werden Ökopunkten eingesetzt?

Bei größeren Baugebieten, Investitionsvorhaben oder anderen wirtschaftlichen Aktivitäten sollen über das Instrument Ökopunkte Eingriffe in die Natur ausgeglichen werden. Jedes Bundesland stellt hierzu unterschiedliche Anforderungen im Ausgleichsverfahren. Hieraus entsteht eine Fülle an unterschiedlichen Bewertungssystemen.[4]

Wie funktionieren Ökopunkte ganz konkret?

Wenn 10 Hektar Land versiegelt werden, sollte im Idealfall 10 Hektar an anderer Stelle wieder abgerissen werden um einen echten Ausgleich zu erhalten. Dies ist nur nicht immer möglich. Wer folglich keine Ausgleichsfläche hat, kann sein Bauvorhaben über Ökopunkte generieren. Hierdurch können Kommunen oder Bauträger Ausgleichsmaßnahmen für die von ihnen versiegelte Fläche entschädigen.

Biodiversität ist wichtiger, als die Versiegelung durch Ökopunkte auszugleichen.

Jeder Ausgleichsmaßnahme wird ein bestimmter Wert zugeordnet. Je artenreicher ein Biotop ist, desto mehr Punkte gibt es. Ein Landwirt kann somit seinen Acker beispielsweise in eine Wiese umwandeln – weil diese ökologisch wertvoller ist als ein Acker, kann er sich hierfür Ökopunkte gutschreiben lassen. Diese Ökopunkte können an eine Kommune oder einen Bauträger verkauft werden. Ökopunkte sind also eine Art Währung mit der Versiegelung von Flächen und Eingriffe in die Natur bezahlt werden.[5]

Gibt es Kritik am System von Ökopunkten?

Durch Ökopunkte können Flächen, die aus landwirtschaftlicher Sicht erst mal wenig nützlich sind, an anderer Stelle ein Biotop bieten. Kritisiert wird der Handel mit Ökopunkten vor allem von Umweltschützer:innen. Die Uni Freiburg untersuchte im Zusammenhang einer Studie zahlreiche Ausgleichsmaßnahmen. Dabei stellte sich heraus, dass bis zu 30 % der Maßnahmen nur auf dem Papier existierten und ein wesentlich größerer Teil nicht mal adäquat ausgeglichen wurde. Generell seien die Ausgleichszahlungen in keinem Verhältnis zu den Eingriffen in die Natur, kritisiert auch der BUND in einem Pressebericht.[6]

Nach einer Umfrage von REPORT MAINZ sind in den meisten Bundesländern Ökopunkte anerkannt. Dabei kann der Ausgleich auch von einer weit entfernten Fläche kommen. Mittlerweile hat sich ein reger Handel etabliert, sogar Ebay bietet Ökopunkte an.[7]

„Die Ökopunkte funktionieren nicht. Irgendwann ist Deutschland zugebaut, aber ausgeglichen.[8]

Axel Mayer BUND für Umwelt und Naturschutz

Und JETZT?

Welche Herausforderungen stellen sich für Deutschland?

Der Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft sieht die einzige Möglichkeit für eine nachhaltige Zukunft: „Böden dürfen nur noch bei gleichzeitiger Entsiegelung anderer Flächen versiegelt werden!“ Besonders im Hinblick auf eine nachhaltige Ernährungsentwicklung sei dies unabdingbar. In Deutschland sind ¼ aller Pflanzenarten und ein 1/3 aller Tierarten vom Aussterben bedroht. ¾ der naturnahen Lebensräume sind gefährdet. Sauberes Wasser und fruchtbarer Boden sind Grundvoraussetzung für biologische Vielfalt und somit Leben. Ein nachhaltiger Umgang mit unseren Ressourcen ist für ein gutes Leben zwingend notwendig. Es darf zu keinem Ressourcenverlust kommen wie z.B. Klima, Boden, Wasser, Luft, Biodiversität und Energie.[9]

Nachhaltiges Wohnen

„Ziel muss es sein, knappe Fläche nachhaltig und umweltschonend, ökonomisch effizient und sozial gerecht mit Rücksicht auf künftige Generationen zu nutzen.“

Umweltbundesamt

Besonders das klassische Einfamilienhaus frisst sehr viel Fläche und bietet dagegen wenigen Personen Wohnraum. Die Wohnfläche pro Kopf steigt jedes Jahr weiter und der Trend zu Haushalten mit weniger Personen bedeutet, dass die Bevölkerung immer mehr Wohnraum beansprucht. Jeder bewohnte Quadratmeter Fläche in einem Gebäude führt zu erhöhten Energie- und Ressourcenverbrauch und ist somit schlecht für die Umwelt. [10] Auf ca. 47 qm pro Kopf leben wir in Deutschland. In den 50er Jahren waren dies ca. 17qm. Das ist sehr hoch, im Vergleich zu anderen Ländern der Welt. [11]

Wie viel qm braucht der Mensch eigentlich für ein glückliches Leben? Diese Frage muss man für sich individuell klären und es schadet nicht, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass Wohnraum ein Privileg und Luxus ist, den sich die meisten Menschen schlicht nicht leisten können.[12]

Welche Möglichkeiten der Nachverdichtung gibt es?

Kreative Alternativen zu klassischen Neubausiedlung sind nochmal stärker in den Blick zu nehmen: Bis zu 2,7 Millionen Wohnungen können durch Nachverdichtung geschaffen werden. Großes Potenzial besteht vor allem für den Einzelhandel. Durch eine Aufstockung von eingeschossigen Läden könnten bis zu 400000 Wohnungen entstehen, benennt eine Studie aus 2019. Auch hinsichtlich der Flächennutzung in Großstädten, geht der Trend zu Mischnutzung von Gebäuden.[13] Daneben können auch Parkplätze zusätzlichen Wohnraum bieten.[14] 


Gesunder Boden bietet Lebensräume, speichert Wasser & Treibhausgase und garantiert uns Nahrung – Boden ist elementar für menschliches Leben auf der Erde. Coesfeld for Future

Coesfeld for Future

Was kannst du tun?

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Flächenversiegelung zu stoppen. Jede:r kann dazu beitragen, auf dem eigenen Grundstück, in dem Verein oder in der Schule Böden zu entsiegeln.  Bodenversiegelung kann nahezu überall rückgängig gemacht werden. Das heißt, für alle Flächen des eigenen Grundstücks sollte im Sinne der Umwelt möglichst von vornherein auf Flächenversiegelung verzichtet werden und ggf. entsiegelt werden. Daneben wirken Rasengittersteine der Bodenversiegelung entgegen. Ideal für Gehwege und Stellplätze sind auch Pflastersteine mit Poren, Filtersteine oder Sickersteine, diese sind ebenfalls wasserdurchlässig.[15]

Aber auch über den eigenen Garten hinaus, kannst du etwas für den Erhalt von gesundem Boden tun: mit dem Kauf von Bio-Lebensmittel unterstützt du, dass auf Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger verzichtet wird. Daneben schont auch ein sparsamer Umgang mit Lebensmitteln den Boden. In Deutschland werden durchschnittlich 82 Kg Lebensmittel pro Kopf weggeschmissen. Das bedeutet große Flächen werden unnötig angebaut und verschwendete Ressourcen.[16] 

Ausgleichsflächenmanagement im Kreis Coesfeld: „öCOEpunkt“

Für die durch Baumaßnahmen entstandenen Eingriffe in die Natur ermöglicht das Ausgleichsflächenmanagement der Wirtschaftsbetriebe Kreis Coesfeld GmbH (WBC)  privaten und gewerblichen Investoren sowie Kommunen eine Abwicklung durch Ökopunkte. Aufwertungsbedürftige Flächen werden durch den WBC erworben und gemäß den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ökologisch aufgewertet. Die Aufwertung wird mittels Ökopunkten beziffert. Hier erhältst du weitere Infos für den Kreis.[17]

Für interessierte Leser:innen:

Auch die Städte und Kommunen sind gefordert vorhandene Strukturen wie Brachflächen oder alte Bausubstanzen für die Entwicklung einer Stadt zu nutzen, statt immer neue Flächen auszuweisen.[18] Dafür hat die Initiative Rosendahl For Future im März einen Antrag auf den Verzicht von Ökopunkten gestellt. Hierbei wurde gegen eine weitere Versiegelung von Flächen und den Verzicht weiterer Baugebiete plädiert. Der Antrag wurde im Planungs- Bau und Umweltausschuss der Gemeinde Rosendahl beraten. Die Fraktionen waren jedoch mehrheitlich gegen den Antrag. Kompensatorische Maßnahmen auf eigenen Flächen im Gemeindegebiet seien oft nicht möglich, heißt es in der AZ. Auch die hohe Nachfrage nach Grundstücksflächen sei ein weiterer Grund neue Baugebiete zu forcieren.[19]

Hier könnt ihr den Antrag einsehen.


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