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Paul Königsmann, wie entsteht Recyclingpapier?

Last updated on 10. Februar 2022

Paul Königsmann (Jahrgang 1955) lebt mit seiner Frau in Lette. Er ist Geschäftsführer von Venceremos GmbH & Co.KG, welches er im Jahre 1982 mit acht weiteren Personen gegründet hat. Seit fast vier Jahrzehnten stellt das Unternehmen am Firmensitz in Legden Artikel aus dem Papeterie-Sortiment und Schulschreibwaren her und ist damit, laut eigener Aussage, der größte Anbieter für Recyclingschreibwaren in Deutschland.


Paul, wie wurdest du auf Recyclingpapier aufmerksam und warum ist dir das Thema eine Herzensangelegenheit?

Anfang der 80er Jahre gab es schon einmal eine Aufbruchstimmung im ökologischen Bereich: 1972 erschien der Meadows-Report „Grenzen des Wachstums“, der BBU (Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz) gründete sich, die AKW-Bewegung folgte einige Jahre später und die  Partei „Die Grünen“ formierte sich. Es wurde Mode, Recyclingpapier zu benutzen, obwohl es ein dunkelgraues Löschpapier war. Ich hab mich damals in dem Zuge gefragt, warum man Bäume töten muss, wenn es Kreislaufwirtschaft geben kann.

Kannst du uns kurz erklären, wie Recyclingpapier entsteht und wie man dieses dann weiterverarbeiten kann? 

Papier wird aus Bäumen hergestellt. Dafür werden riesige Flächen industriell kahlgeschlagen. Auf der Nordhalbkugel benötigen Sämlinge 100-200 Jahre, um Bäume zu werden. 3-6 Monate friert es dort und hemmt dabei das Wachstum. Anders ist es auf der Südhalbkugel: Akazien sind in 6-7 Jahren „schlachtreif“, laugen aber den Boden aus und verbrauchen viel Wasser. Beide Methoden verursachen im übrigen immense Umweltschäden, unter anderem die Abholzung der Regenwälder in den Tropen und die Rodung der borealen Wälder (ein Kippelement) im kalten Norden.
Nach langen Transportwegen werden die Bäume dann geschreddert und die braunen Sägespäne kommen vorne in eine Zellstoffmaschine. 200m weiter erhalten wir Watte, d.h. weißen Zellstoff. Die Maschinen stellen 1 Mio. Tonnen Zellstoff im Jahr her und dabei werden Unmengen an Wasser, Wärme und verschiedenste Chemikalien verbraucht. Darunter auch Chlorverbindungen, die die Weltmeere verschmutzen. Auf einer Papiermaschine, die 500.000 t Papier im Jahr produziert, wird dann die Watte wieder zusammen mit sehr viel Wasser und Zuschlagstoffen zu weißem Papier verarbeitet, wobei die Weiße durch Zugabe von optischen Aufhellern (u.a. Titandioxid) erreicht wird. Dies steht im Verdacht, Krebs zu erregen.

„Warum muss man diese 3fache Umweltschweinerei begehen, wenn man doch einfach Papier recyclen kann?“

— Paul Königsmann

Das hab ich mich damals gefragt. Bis zu 25mal kann man das machen, der Kreislauf ist also fast geschlossen. Man entfärbt in diesem Verfahren mit Sauerstoff, Wasserstoffperoxid und Seifenlauge den Papierbrei und erreicht durch mehrmaliges Wiederholen eine Weiße wie beim Frischfaserpapier. Das nennt man Deinkingverfahren. Recyclingpapier ist dann im übrigen für alle graphischen und Schreibzwecke voll geeignet, nur für Tragetaschen ist die Reißfestigkeit eingegrenzt.

Deine Produkte sind zertifiziert als „blauer Engel“. Was bedeutet das und warum kann dieses Siegel eine wichtige Orientierung aus Verbrauchersicht sein?

Es ist erstmal ein deutsches staatliches Zeichen, es gibt keinen kommerziellen Background, die Lizenzgebühren sind niedrig und es gibt einen Verwendungsnachweis der RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. in Bonn dafür.

Wesentliche Kriterien hierbei sind:

  • Das Altpapier muss zu 65% aus Hausmüllabfällen stammen, denn das sind die problematischen Stoffe, nicht die rein weißen Abfälle in Papierfabriken und Druckereien. Diese sind nämlich verboten. Die fehlenden 35% stammen aus Kaufhaus- und Behördenabfällen. Bei Druckereien/Buchbindereien und Papierverarbeitern dürfen nur bedruckte Abfälle eingesetzt werden.
  • Es werden Anforderungen an die Druckchemikalien gestellt. Die Farben müssen sich z.B. vom Papier leicht deinken lassen und auch nur bestimmte Produktergänzungen sind erlaubt.
  • Spiraldrähte dürfen nicht plastikummantelt sein. Heftklammern müssen aus Metall sein und Plastikbeschichtungen der Deckblätter sind verboten.

Natürlich kann man sich jetzt in dem ganzen Wirrwarr von Umweltsiegeln fragen, wie seriös der „blaue Engel“ ist. Gepfuscht werden kann immer, aber in diesem Falle macht das wirklich keinen Sinn! Plastikbeschichtungen etc. erkennt man und da Recyclingpapier immer billiger ist als Frischfaserpapier, rechnet sich ein Tausch nicht. 
Mittlerweile gibt es beim Recyclingpapier unterschiedliche Farbabstufungen von ISO 100 (weißes Papier) bis ISO 70 (sehr graues Papier). Es gibt sehr gute, saubere Papierabfälle und sehr schlechte graue Abfälle, aber das regelt dann der Preis. Die weißen Abfälle (und dementsprechend das Papier) sind sehr viel teurer als die dunkleren. Es fehlt also der große Anreiz für Betrug. 

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