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Der Naschgarten und das Bewusstsein der Natur

Last updated on 31. März 2022

Schau dich mal in deiner Stadt oder Gemeinde um: ob in Neubaugebieten oder Altbeständen – der Artenreichtum in den Gärten hat in den letzten Jahren fast überall abgenommen.[1] Vor den Häusern übernehmen die Schottergärten die Regie, und sonst findest du eine Rasenfläche, ein paar Spielgeräte, ein paar Immergrüne. [2] Die Umrandung bilden oftmals Hecken aus Kirschlorbeer, welche in ihrem ökologischen Wert einer Betonmauer nahestehen[3] oder gleich Metallzäune mit Plastikbändern als Sichtschutz oder Gabionen. Vielleicht pflanzt man noch ein paar einjährige Wegwerfpflanzen aus dem Baumarkt ein, ein paar Tulpen- und Narzissenzwiebeln lassen ahnen, dass Frühjahr ist, und wenn die Gärtner ganz ambitioniert sind, kümmert in einer Ecke ein Apfelbäumchen vor sich hin.

Gärten können viel mehr!

Dabei können Gärten so viel mehr sein als Abstandsgrün. Sie können ein Ort zum Wohlfühlen sein, zum Entspannen, eben ein Zuhause. Wenn du es schaffst, deinen Garten in einen solchen Ort zu verwandeln, wird er auch dich verändern. Du merkst, dass du Teil der Natur bist, eingebunden in ein Netzwerk, das dich mit Glücksmomenten beschenkt. Dass Gartenarbeit gegen Depressionen wirkt, ist erwiesen.[4] Aber sie kann auch einfach so glücklich machen, in einer Zeit, wo eine Krise nach der nächsten über uns herfällt. Jeder Strauch und jede Pflanze, die Insekten anlockt, jede selbst geerntete und nicht in Plastik verpackt gekaufte Frucht trägt ein kleines bisschen dazu bei, die Welt besser zu machen.

Naschgarten Beispiel

Wie kann man auch kleine Gärten umgestalten?

Du sagst vielleicht: Mein Garten ist viel zu klein, ich habe ja gar keinen Platz. Oder du hast vielleicht nur einen Balkon.

Das ist aber kein Hinderungsgrund. Hast du eine Südwand, an die du eine Weinrebe pflanzen kannst? Sie könnte sich sogar über eine Pergola ranken und dir im Sommer ein Urlaubsgefühl wie in Italien vermitteln.

An einer Ost- oder Westwand kannst du eine Kiwi ziehen, eine Brombeere oder einen Spalierbaum wie Apfel oder Birne. Solche Spalierpflanzen nutzen die Höhe, brauchen aber nicht viel Gartenraum. Gleichzeitig beschatten und kühlen sie im Sommer die Wand, während andererseits die Wand im Frühling und Herbst die gespeicherte Wärme zurückgibt und so die Pflanzen vor der Nachtkälte schützt.  Bäume wie Apfel oder Birne gibt es auch kleinwachsend in Säulenform. Vielleicht möchtest du sie als Sichtschutz zu den Nachbarn ziehen?

Früchte als Heckenersatz

Ebenfalls als Ersatz für eine Hecke kannst du Beerensträucher pflanzen. Rote, gelbe und schwarze Johannisbeeren zum Beispiel. Die schwarzen sind am gesündesten und du kannst ihre Blätter auch in eine Teemischung geben, die gelben schmecken milder und süßer als die roten. Himbeeren und Brombeeren und ihre Mischformen eignen sich auch als Heckenersatz, brauchen aber eine Stütze und evtl. eine Wurzelsperre.

Brombeerenhecke

Beerensträucher mögen Sonne, wenigstens ein paar Stunden am Tag, aber mit einigen Schattenstunden kommen sie gut zurecht. All diese Pflanzen lassen sich im Übrigen auch gut im Kübel und in großen Töpfen halten, wenn du nur eine Terrasse oder einen Balkon hast.

Naschereien aus dem Blumenkübel

Erdbeeren stehen am liebsten sonnig in einem Beet mit humoser Erde und wollen spätestens alle 3 Jahre einen neuen Platz. Aber auch in Blumenkästen oder Ampeln können dir die Früchte fast direkt in den Mund wachsen.

Du kannst dich aber auch für eine absolut pflegefreie Variante entscheiden: pflanze einfach Walderdbeeren, die wachsen gerne als Bodendecker unter Sträuchern, wenn sie nicht vollständig im Schatten stehen. Sie schmecken unvergleichlich aromatisch, und die Vögel interessieren sich nicht für sie.

Blaubeeren brauchen sauren Boden, z.B. eine torffreie Rhododendronerde, Rindenmulch, Nadeln von Nadelbäumen, Reste vom Tannenbaum und ähnliches. Ein kleines Rahmenbeet eignet sich gut dazu sie in den Garten zu setzen.

Erdbeeren aus dem Kübel

Jetzt fehlen nur noch die Kräuter

Jetzt brauchst du nur noch ein paar Kräuter in einem Beet an der Terrasse oder in ein paar Töpfen auf dem Balkon und dazu eine leckere Naschtomate in einem mindestens 10 – 20l großen Topf. Am besten eignet sich eine kleine Busch-, Cocktail- oder Wildtomate. Die können wachsen, wie sie wollen, nur wenn sie zu sehr in die Breite geht, solltest du eingreifen.

Über einige Stäbe zum Abstützen freuen sich die Tomatenpflanzen  spätestens, wenn die Früchte größer und schwerer werden. Weil nicht jeder Sommer trocken und heiß ist, wäre es gut, wenn sie zum Beispiel geschützt unter einem Dachüberstand stehen können. Nimm eine Sorte, die samenfest ist, keine F1-Hybride, sonst kannst du von denen nicht selber wieder Samen gewinnen. Meine persönliche Lieblingstomate ist das „Sibirische Birnchen“. Das ist eine buschig wachsende Pflanze mit kleinen roten, birnenförmigen und süßen Früchten. Ab und zu muss man sie mal ein bisschen im Wachstum bremsen. Meist wandern die Früchte gleich in den Mund, ohne Umweg über die Küche. Unter den über 1000 verschiedenen Tomatensorten wirst du sicher auch deine Lieblingssorte finden.

Das Programm Naschgarten lässt sich natürlich problemlos erweitern, aber erst mal sollst du ja nur auf den Geschmack kommen. Fang mit ein oder zwei Sorten an und probiere es aus.

Du hast mehr Platz?

Solltest du mehr Platz im Garten haben und noch mehr für Natur- und Artenschutz tun wollen, kannst du eine Hecke mit Wildobst anlegen. Die Früchte musst du dir dann allerdings mit den Vögeln teilen. Hierfür benötigst du einen Streifen von ca. 3 m Breite. Dann bekommst du allerhand geboten: Frühe Blüte, viel Leben, schöne Früchte, oft eine tolle Herbstfärbung und eine abwechslungsreiche Aststruktur im Winter. Gute Sorten sind zum Beispiel

  • Aronia (Apfelbeere)
  • Berberitze
  • Brombeere
  • Holunder
  • Felsenbirne
  • Haselnuss
  • Kirschpflaume
  • Kornelkirsche
  • Sanddorn
  • Weinrose
  • Zierquitte
  • Stachelbeeren und Johannisbeeren passen auch hinein.

So pflegst du deinen Naschgarten

Im Herbst kann man Blaubeeren mit Rindenmulch oder Eichenblättern mulchen, im Frühjahr mögen sie eine Schaufel frische Komposterde, und sie haben es nicht gerne trocken. Kiwis brauchen die gleiche Behandlung.

Alle anderen bisher vorgestellten Naschgarten-Pflanzen vertragen im Frühjahr und im Herbst Kompost und zwischendrin eine Mulchschicht aus Grasschnitt oder Laub, nur nicht aus Eichenblättern, weil die viel Gerbsäure enthalten.

Alle mögen es nicht, wenn man im Wurzelbereich herumhackt, denn sie haben flache Wurzeln. Deshalb ist die Mulchschicht gut, denn sie vermindert Verdunstung und Austrocknung. Sie haben aber nichts gegen die Gesellschaft von Frühlingsblühern wie Winterlingen, Schneeglöckchen, Krokussen, Wildtulpen oder Kräutern wie Bärlauch. Wenn die dann als die ersten Frühlingsboten aus dem Laub leuchten – das ist fast so schön wie Ostereiersuchen!

Und jetzt?

Jetzt kommen wir noch mal auf den Anfang zurück: Was hat der Naschgarten mit dem Klimaschutz zu tun?

Du erlebst den Wechsel der Jahreszeiten und dich selbst darin bewusster. Du kannst deinen Kindern zeigen, wie ganz früh im Frühjahr die Beerensträucher blühen, Insekten anlocken, wie sie zuerst ganz kleine harte grüne Früchtchen bilden, die dann im Verlauf der nächsten Wochen zügig größer werden und schließlich reif und saftig. Dann schmecken sie so lecker, wie gekaufte Beeren das nie können.

Gerade Beerenfrüchte gehören zu den Lebensmitteln, die unter dem neudeutschen Namen Superfood laufen. Und du hast sie selber im Garten gezogen! Da halten sie alles, was sie versprechen.

Durch den eigenen kleinen Anbau dieses Naschgartens passiert noch etwas sehr Wertvolles: Du lernst, welche  Lebensmittel zu welcher Jahreszeit verfügbar sind. Gleichzeitig wirst du feststellen, dass sie aber dann, wenn die Natur sie uns schenkt, unvergleichlich gut sind. Du kannst dich auf die eigenen Früchte freuen und wirst bemerken, dass die Erdbeeren im Winter oft nicht viel besser schmecken als die Pappe, in der sie verkauft werden. Von der CO2 Bilanz gar nicht erst zu reden.

Ein weiterer Vorteil: Du lernst sehr schnell, deinen Garten und die Nascherein mit den nicht-menschlichen Lebewesen im Garten zu teilen, vor allem, wenn du eine Wildobsthecke anlegst. Vögel sorgen für die Verbreitung der Samen, indem sie die Früchte fressen. Regenwürmer unter dem Laubmulch sorgen für fruchtbare Erde. Mikroorganismen und Pilze und andere winzige Bodentiere erschaffen aus abgestorbenen Resten neue Nahrung für die Pflanzen. Das ist im Übrigen auch der Grund, weshalb du auf Kunstdünger und Pestizide verzichten solltest: Sie stören das Gleichgewicht, das sich in Millionen von Jahren herausgebildet hat.

Unsere Wertschätzung für die Natur und was sie uns schenkt, wird dadurch wachsen. Wir merken, dass die Natur kein mechanischer „Nahrungsmittelproduzent“ ist. Plötzlich sieht auch Lebensmittelverschwendung viel schlechter aus, denn so geht man doch nicht mit Geschenken um. Eine krumme Möhre aus dem Hochbeet ist dann nicht mehr “ unperfekt „, sondern vielleicht ziemlich lustig, und sie schmeckt genauso gut wie die geraden.

Wenn du es schaffst, deinen Garten so in ein Zuhause zu verwandeln, tust du das nicht nur für dich und deine Familie, sondern auch für Insekten, Vögel und Pflanzen. Je vielfältiger ein Garten ist, desto besser funktioniert das „Netz Natur“ – und wir Menschen sind ja ein Teil davon.


Quellenangaben


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