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Pflanzenkohle: Ein wahres Multitalent für Landwirtschaft und Garten

Last updated on 16. November 2023

Schwarz und unscheinbar wirkt sie von außen. Doch sie hat es in sich: ihre gewaltige innere Oberfläche (1 g mit bis zu 300 m2 Oberfläche) und ihre poröse Struktur machen sie einzigartig und wertvoll für viele Bereiche. Pflanzenkohle speichert Kohlenstoff und schützt das Klima. Aber nicht nur das: Richtig eingesetzt hat sie positive Eigenschaften auf den Boden und das Pflanzenwachstum. Kann Pflanzenkohle helfen, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen und den Klimawandel zu bremsen? 

Was ist Pflanzenkohle? 

Definition (Fachverband Pflanzenkohle): Pflanzenkohle entsteht aus pflanzlicher Biomasse, wie sie in der Landwirtschaft, im Garten- und Weinbau und den Kommunen anfällt. Bei hohen Temperaturen und weitgehend unter Ausschluss von Sauerstoff werden zum Beispiel Holz, Hecken-, Baum- oder Grasschnitt ebenso wie Getreidespelzen karbonisiert. Dieses Verfahren der Pyrolyse kann in jedem Garten z.B. mit einer Bodengrube oder für die industrielle Nutzung auch in Großanlagen angewendet werden, wobei hier auch noch die entstehenden Gase und die Wärme genutzt werden können. 

Wie wird Pflanzenkohle hergestellt? 

Im Kleinen kann man den Vorgang der Pyrolyse beim Abbrennen eines Streichholzes beobachten: Das Zündköpfchen steuert die Startwärme bei, das Holzgas verbrennt, die Flammen schließen dabei das Holz vom Sauerstoff ab. Am Schluss bleibt ein fragiles Hölzchen übrig, das aber noch entfernte Ähnlichkeit mit einem Streichholz hat.   

Bei dem Prozess bleibt im verkohlten – nicht verbrannten – Material ca. 30 – 50% des Kohlenstoffs erhalten, der beim Wachstum der Pflanze gespeichert wurde und der bei der normalen Verrottung (=Oxidation) an der Luft als CO2 vollständig frei würde.So aber bleibt er im Boden und kann dadurch dauerhaft (Über viele Jahre, Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende) gespeichert werden

Du kannst Pflanzenkohle zwar selbst in einem Pyrolyseofen, einer Erdgrube oder einem Kontiki herstellen, aber du darfst auf keinen Fall belastetes, behandeltes Material verwenden und das Holz sollte gut getrocknet sein. Wenn du beim Zerkleinern auf noch nicht vollständig verbranntes Material stößt, hebe es für die nächste Verbrennung auf und verwende es noch nicht. Es könnte sonst Policyclische Aromatische Kohlenstoffe (PAK) enthalten, die erst bei hohen Temperaturen über 4-500 Grad verbrennen. Dazu kannst du einen einfachen Geruchstest durchführen: Fülle ein Schraubglas mit der Kohle, lass es über Nacht stehen, halte es dir unter die Nase und öffne den Deckel ein bisschen. Riecht die Kohle nach Rauch, Ruß oder Teer, verwende sie nicht. Ist sie geruchsfrei, kannst du sie benutzen. Pflanzenkohle ist geruchs- und geschmacksfrei. 

Sobald alles Holzgas verbrannt ist, wird der Verbrennungsprozess gestoppt, indem man z. B. mit Wasser oder im Garten mit Brennnesseljauche oder Urin ablöscht, bis alle Glut gelöscht ist. Die Kohle wird durch das Ablöschen (Dampfdruck) porös und wirkt, wenn sie im Boden eingebracht wird, wie ein Schwamm. Die Oberfläche aller Hohlräume eines Gramms Pflanzenkohle kann mehr als 300 qm betragen. Deshalb kann sie etwa die 5fache Menge ihres Gewichtes an Wasser aufnehmen, in trockenen Zeiten ein großer Vorteil. 

Welche Vorteile hat Pflanzenkohle?  

Die Pflanzenkohle unterscheidet sich von der normalen Grillkohle durch die Art ihrer Herstellung, ihre Reinheit, und durch ihre Struktur. Weil sie porös wie ein Schwamm ist, lässt sie sich leicht zerkleinern und sogar zu Staub mahlen. Damit bietet sie über die CO2-Speicherung hinaus eine Reihe von anderen Anwendungsmöglichkeiten. 

Neben ihrer Fähigkeit zur Wasserspeicherung speichert sie dauerhaft Nährstoffe und bietet Mikroorganismen und Pilzen im Boden Lebensraum, die so die Nährstoffe für die Pflanzen verfügbar machen können. Der Boden wird besser durchlüftet, Stickstoff, Phosphor und andere Nährstoffe werden ebenfalls gespeichert und nicht ausgewaschen. Die Kohle sorgt außerdem für einen PH-Wert- Ausgleich. Damit unterstützt die Pflanzenkohle den Humusaufbau und kann sogar bei der Wiederherstellung degradierter Böden mitwirken. Wegen ihrer guten Speicherfähigkeit kann sie darüber hinaus auch angewendet werden, um vergiftete Böden zu sanieren. 

Mikroorganismen und Nährstoffe, Gesteinsmehl  

Pflanzenkohle an sich bringt zwar Kohlenstoff in die Erde und ist damit klimawirksam, aber sie ist noch kein Dünger und keine Terra Preta.  Dazu braucht es dann noch die Mikroorganismen und die Nährstoffe.   

Um für den Hausgarten die Pflanzenkohle damit aufzuladen, bietet sich Bokashi (Erdmann, C. 2022, Bokashi) an.  

Boden benötig zum Aufbau der „Ton-Humus-Komplexe“, (die machen den Boden locker und krümelig) immer auch einen mineralischen Anteil. Darum fügt man noch einen Teil Gesteinsmehl hinzu. Dieses enthält neben den Mineralstoffen auch eine Anzahl von Spurenelementen, die für das Pflanzenwachstum ebenso wichtig sind wie schließlich auch für die menschliche Ernährung, z.B. Eisen, Kupfer, Zink, Kobalt, Selen u.a. (Pfützner, 2018)    

Anwendung in der Landwirtschaft 

Wegen dieser Vorteile wird Pflanzenkohle häufig in der Landwirtschaft genutzt. In der konventionellen Landwirtschaft durfte man Pflanzenkohle schon seit 2012 anwenden, Seit dem 7.1.2020 ist Pflanzenkohle auch im EU-Bioanbau zugelassen. 

Allerdings macht es im Regelfall nicht viel Sinn, die Kohle direkt in Böden einzubringen, schon wegen der Kosten. Ausnahmen gibt es, wenn Böden regeneriert werden sollen. In manchen sehr armen, meist tropischen Böden wurden beim Einsatz purer Pflanzenkohle positive Effekte auf die Bodenfruchtbarkeit festgestellt. Das ist besonders auf die höhere Wasserspeicherfähigkeit, Bodenlüftung und Erhöhung des Boden – pH-Wertes zurückzuführen, denn dadurch wurden Nährstoffe wieder verfügbar gemacht. 

Bringt man sie aber in unseren Böden einfach so ein, ohne dass sie vorher Nährstoffe speichern konnte, würde sie eine Zeitlang sogar wachstumshemmend wirken. Denn sie entzieht dem Boden zuerst die Nährstoffe, bis ihre Speicher gefüllt sind. Hier muss man sich Kohle etwa wie einen Akku vorstellen, der erst aufgeladen werden muss, bevor er Nutzen bringt. Also kommt die sogenannte Kaskadennutzung ins Spiel. 

Was ist Kaskadennutzung? 

Als Speicher flüchtiger Nährstoffe, als Silierhilfsstoff oder als Futterergänzungsmittel kann man die Pflanzenkohle zuerst anwenden, bevor sie dann in der Güllegrube oder im Klärwerk eingesetzt und schließlich kompostiert und erst ganz am Ende der Nutzungskaskade zur Terra-Preta-Bildung in den Boden eingearbeitet wird.  

In Landwirtschaft und Gartenbau, aber auch für die private Anwendung, kann Pflanzenkohle an jeder der stufenweisen Einsatzstellen ihre Vorteile ausspielen. 

Und bei uns privat zuhause? Pflanzenkohle im Bokashi-Eimer oder bei der Herstellung von Brennesseljauche vermindert stark die Gerüche Dein selbstgemachter Dünger bleibt länger wirksam, denn er wird nicht ausgewaschen, weil er in der Kohle gebunden ist. Und die kann ja auch noch Wasser speichern. Auch für den Komposthaufen oder die Kompost-Toilette ist Pflanzenkohle ein nützlicher Helfer. Schließlich landet die „aufgeladene“ Kohle im Boden und wirkt längere Zeit als Dünger, als Bodenverbesserer, für den verstärkten Humusaufbau und als eine Art sozialer Wohnungsbau für Mikroorganismen und Pilze. Die sind es ja schließlich, die die Wachstumsprozesse steuern. 

Welche Vorteile hat Pflanzenkohle in der Tierhaltung? 

Dort ist Pflanzenkohle besonders interessant und häufig auch lohnend, gerne in Verbindung mit EM, aber auch schon ohne. EM sind effektive Mikroorganismen. Es handlt sich hier um eine vielfältige Mischung von Bakterien, Hefen und Pilzen, die den Pflanzen einen guten Start ermöglichen. (Bokashi,2022) 

An Tiere verfüttert unterstützt sie die Gesundheit und sorgt dafür, dass weniger Medikamente eingesetzt werden müssen. In den Ausscheidungen der Tiere wirkt sie ein weiteres Mal: Sie hygienisiert die Fäkalien, verhindert einen Teil (zwischen 25 und 50%) der Ausgasungen an CO2. Methan, Ammoniak und Lachgas und sorgt dafür, dass das, was im Stall übrig bleibt, als wertvoller Dünger aufs Feld gebracht werden kann. Weniger Fliegen gibt es obendrein. 

Allgemein kann man sagen, dass Pflanzenkohle:  

  • sich als als Futterzusatz oder Einstreu eignet, 
  • zur Behandlung von Dung, Mist und Gülle (Hühner, Pferde, Schweine, Kühe) dient, 
  • Gerüche bindet,  
  • Ausgasungen von Methan, Ammoniak und Lachgas vermindert, 
  • Schadstoffe und Krankheitserreger  bindet. 
  • Natürlich lassen sich diese Vorteile auch für Haustiere nutzen.Die Fischzucht profitiert ebenfalls vom Einsatz der Pflanzenkohle. 

Auf dem Acker braucht man für die Gülleausbringung keine teuren Spezialmaschinen und es riecht nicht unangenehm.“ . Man erhält gesündere Tiere und lebendigeren Boden, besseren Humusaufbau und weniger Umweltbelastung. Weil Nitrat aus der Kohle nicht ausgewaschen wird, bleibt auch das Grundwasser sauber, es kann nicht zu Überdüngung kommen. 

Ein weiterer Bereich: Pflanzenkohle lässt sich als Torfersatz für Anzuchterden verwenden. Sie eignet sich auch als  Ausgleichsdüngung für Spurenelemente. Die stammen aus dem Ausgangsmaterial und alle bei der Pyrolyse erhalten bleiben.  

Zusatz in der Biogasanlage: Fügt man zur Biomasse Pflanzenkohle hinzu, lässt sich die Gasmenge um bis zu 10% erhöhen. Gleichzeitig kann man aus den sonst fast kohlenstofffreien Gärresten hochwertigen Dünger gewinnen bzw. die getrockneten Gärreste als Einstreu nutzen, da die Pflanzenkohle fast vollständig erhalten bleibt.  

Gibt es noch andere Anwendungsbereiche? 

Genau wie Aktivkohle, die energieaufwendig mit einem chemischen Verfahren hergestellt wird, lässt sich Pflanzenkohle einsetzen.  

  • Zur Wasserreinigung in überdüngten Gewässern und Seen, 
  • zur Reinigung von Abwässern, insbesondere schwermetallbelastete Stadtabwässer,  
  • als Filtermittel in Kläranlagen  
  • zur Wasserreinigung als Großfilteranlage in Entwicklungsländern  
  • zur Sanierung verseuchter Böden an ehemaligen Bergbau- und Militärstandorten sowie Mülldeponien.  
  • als Dämmstoff in der Bauindustrie 
  • zur Luftentfeuchtung, z.B. in Verbindung mit Lehmputz oder Kalkmörtel 
  • In der Schweiz wurde Pflanzenkohle auch schon als Zusatzstoff für den Straßenbau verwendet. 

Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Viele weitere Bereiche sind noch in der Erforschung. Zum Beispiel läuft beim Thünen-Institut über 2 Jahre noch bis Ende des Monats  11/2023 eine Studie zu „Potenziale von Pflanzenkohle als negative Emissionstechnologie“. 

Sicher lässt sich nicht die Klimakrise bewältigen, wie man am Anfang euphorisch dachte, aber doch ein guter Beitrag dazu leisten, denn Pflanzenkohle ist die bisher einzige einsatzfähige und rundherum lohnende Methode, um Kohlenstoff der Atmosphäre zu entziehen und langfristig zu speichern. Nur dürfen keine Wälder dafür abgeholzt werden, sondern ausschließlich organische Rest- und Abfallstoffe, Gehölzschnitt oder Holzhäcksel verwendet werden. 

Und jetzt? 

Wenn du selbst einen Garten hast, Tiere hältst oder auch nur mit Bokashi arbeitest, kannst du dich erkundigen, ob es für dich sinnvoll ist, Pflanzenkohle einzusetzen. Hör dich um, ob mal ein Workshop zu dem Thema angeboten wird, wie gerade im August/September 2023 in Greven.  

In Nottuln findet sich ein Anbieter, der Pflanzenkohle hauptsächlich als Futterkohle anbietet, aber die lässt sich selbstverständlich auch für andere Zwecke einsetzen, wie oben beschrieben. 


Quellen: 

  1. Pflanzenkohle – Fachverband Pflanzenkohle e.V. (o. D.). https://fachverbandpflanzenkohle.org/pflanzenkohle/#pflanzenkohle_id 
  1. Pflanzenkohle hilft Klima und Boden. (o. D.). Praxis-Agrar. https://www.praxis-agrar.de/pflanze/ackerbau/pflanzenkohle 
  • Thünen: Potenziale von Pflanzenkohle als negative Emissionstechnologie. (o. D.). https://www.thuenen.de/de/thuenen-institut/zentralbereich-und-stabsstellen/stabsstelle-klima-und-boden/projekte/potenziale-von-pflanzenkohle-als-negative-emissionstechnologie 
  1. Pfützner, C. (2018). Natürlich Gärtnern mit Terra Preta: Praxiswissen für Garten, Hochbeet und Balkon. 
  1. https://www.ithaka-journal.net/55-anwendungen-von-pflanzenkohle 
  1. Redaktion, W. N. (2023, 24. August). Natürlichen Kreislauf unterbrechen. https://www.wn.de/muensterland/kreis-steinfurt/greven/pflanzenkohle-ofen-atmoko-2813227 
  1. Workshop im Gemeinschafts-Garten: Wir bauen einen Pyrolyseofen | Münster Alternativ. (o. D.). https://ms-alternativ.de/node/3939 
  1. Pflanzenkohle herstellen. (o. D.). https://www.sfv.de/pflanzenkohle-herstellen 
  1. Pflanzenkohle Jäger – Klimaschutz im eigenen Garten. (o. D.). https://www.pflanzenkohle-jaeger.de 
  1. Christa. (2022, 15. Januar). Bokashi: In drei Schritten zu deinem eigenen Dünger | Wissen macht Klima. Wissen macht Klima. https://www.wissenmachtklima.de/bokashi-duenger/ 
  1. Christa. (2023, 3. Mai). Dürre: Wieso es gerade so trocken ist und was das für das Westmünsterland bedeutet | Wissen macht Klima. Wissen macht Klima. https://www.wissenmachtklima.de/duerre-wieso-es-gerade-so-trocken-ist-und-was-das-fuer-das-westmuensterland-bedeutet/ 
  1. Christa. (2022, 17. Dezembehttps://www.wissenmachtklima.de/terra-preta-schwarze-erde-naturlicher-co%E2%82%82-speicher/ 

https://www.sonnenerde.at/de/erdgefluester/detail/pflanzenkohle_aktivkohle_tierkohle_holzkohle_was_ist_der_unterschied

https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/garten-freizeit/pyrolyseoefen-zur-herstellung-von-pflanzenkohle#hintergrund

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