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Solastalgie – Die Trauer um unsere Erde 

Last updated on 26. Oktober 2023

Kennst du das, wenn du durch den Wald gehst und siehst, dass zwischen den Büschen Müll liegt und auf dem Boden Glasscherben – offensichtlich etwas, das dort nicht hingehört? Der Schmerz darüber, dass die Umwelt, in der man aufgewachsen ist, nun anders aussieht, künstlich, verschmutzt oder vielleicht gar nicht mehr vorhanden ist. Seit einiger Zeit taucht in diesem Zusammenhang das Wort „Solastalgie“ auf, um diesem Gefühl einen Namen zu geben. Doch was genau bedeutet dieser Begriff und wie können wir ihn in unserem Alltag umsetzen? 

Was bedeutet Solastalgie? 

Der australische Umweltphilosoph Glenn Albrecht prägte erstmals den Begriff „Solastalgie“. Er beschreibt damit einen Zustand seelischen Schmerzes, den Menschen empfinden, wenn sie spüren, dass sich ihre Heimat durch Klimawandel, Umweltverschmutzung oder andere menschliche Eingriffe unwiderruflich verändert hat. Solastalgie betrifft nicht nur indigene Völker, deren Lebensweise eng mit der Natur verbunden ist, sondern auch Stadtbewohner, die sich der Natur entfremdet fühlen. (Hirsch, 2023) Im Gegensatz zum Begriff der Klimaangst oder Öko-Angst (Eco-Anxiety) bezieht sich die Solastalgie auf das, was bereits verändert oder verloren ist, während die Öko-Angst, eine Angst vor dem, was kommen könnte darstellt. (Köhler, 2021) 

Wie wirkt sich eine Umweltveränderung auf unsere Psyche aus? 

Wenn die eigene Heimat unmittelbar von Umweltzerstörung bedroht ist, kann dies gravierende Auswirkungen auf die Psyche haben. Zur Beschreibung dieses Phänomens wurde der Begriff „Solastalgie“ geprägt. Solastalgie ist ein relativ neues Konzept, um die Auswirkungen von Klimawandel auf die psychische und emotionale Gesundheit des Menschen zu beschreiben. Dabei geht es vor allem um die emotionale Belastung, die durch den drohenden Verlust oder die Beeinträchtigung der Heimat entsteht. Angesichts der Geschwindigkeit und des Ausmaßes des Klimawandels, des Verlusts an biologischer Vielfalt, der Umweltverschmutzung, der Abholzung von Wäldern und anderer Umweltprobleme werden immer mehr Menschen von emotionalen Belastungen betroffen sein. 
Besonders betroffen sind Menschen, deren Lebensunterhalt direkt von der Landschaft abhängt, in der sie leben – zum Beispiel Bäuerinnen und Bauern. Auch Menschen, deren Identität besonders stark mit der Natur ihres Lebensraumes verbunden ist, wie z.B. indigene Völker, sind häufig von Solastalgie betroffen. (Galway 2019) 

Wie zeigt sich Solastalgie? 

Anzeichen von Solastalgie können sein: 

  • Trauer beim Anblick zerstörter Landschaften 
  • Sorgen darüber, wie Landwirtschaft betrieben wird 
  • Sorge um den Verlust wertvoller Ressourcen eines Ortes (saubere Luft, Wasser, Landschaft usw.) 
  • Sehnsucht nach der Ruhe und Stille, die früher an einem Ort herrschten 
  • Trauer über das Verschwinden vertrauter Tiere und Pflanzen 
  • Scham über das neue Aussehen der Gegend 
  • Sorge, dass die eigene Familie den Heimatort verlassen muss 
  • Verlust des Zugehörigkeitsgefühls durch die Veränderung der Umgebung 

Bei direkten Umweltkatastrophen zeigen sich die mentalen Auswirkungen deutlich gravierender. Bei Menschen, deren Ort oder Haus durch eine Naturkatastrophe fast vollständig zerstört wurde, treten psychische Erkrankungen doppelt so häufig auf als in der Gesamtbevölkerung. (Oberberg o.D.) 

Was sagt die Wissenschaft? 

Die Forschung steht hier noch am Anfang. Grob zusammenfassen lässt sich folgendes: Verschiedene wissenschaftliche Arbeiten weisen auf einen Zusammenhang zwischen veränderten Umweltbedingungen und psychischen Erkrankungen hin.  Steigende Temperaturen, Hitzewellen, Überschwemmungen, Tornados, Hurrikane, Dürren, Brände, Waldverlust, Verschwinden von Flüssen und Wüstenbildung können zu physischen und psychischen Erkrankungen beim Menschen führen. Die Auswirkungen des Klimawandels können direkt oder indirekt, kurz- oder langfristig sein. Akute Ereignisse können ähnlich wie traumatischer Stress wirken und zu pathologischen Mustern führen. Darüber hinaus können Folgen wie posttraumatische Belastungsstörungen, Ängste, aber auch Aggressionen, Disstress und depressive Symptome auftreten. Ausmaß und Ausprägung der gesundheitlichen Folgen hängen u.a. von der individuellen Widerstandsfähigkeit und den Bewältigungsstrategien ab. (Bunz & Mücke, 2017) (Cianconi & Betro, 2020) In einer großen empirischen Studie untersuchte ein Forscherteam die Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit von fast zwei Millionen zufällig ausgewählten US-Amerikanern zwischen 2002 und 2012. Sie fanden unter anderem heraus, dass die Belastung durch Hitze und Dürre das Selbstmordrisiko erhöht und die Zahl der Patienten in psychiatrischen Einrichtungen ansteigen lässt. (Capaldo 2020) 

Und JETZT? 

Solastalgie ist ein Warnsignal und eine Aufforderung, bewusster mit unserer Umwelt umzugehen. Solastalgie kannst du also als Chance bewerten und gleichzeitig kann die Natur als Heilmittel gesehen werden. Ein erster Schritt kann sein sich vermehrt in der Natur aufzuhalten. Der Kontakt mit der Natur wirkt sich positiv auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit aus. Ein Spaziergang im Wald oder im Park kann schon ausreichen, um sich besser zu fühlen. Die Natur hat eine beruhigende Wirkung auf uns und ist ein Mittel zum Abbau von Stress. 

Hilfe suchen 

Alle Umweltveränderungen gehen nicht spurlos an der menschlichen Psyche vorbei. Wenn man Solastalgie oder ähnliche Gefühle wahrnimmt, sollte man sie nicht verdrängen, sondern sich ihnen stellen. Dabei kann es sich um psychische Folgen von erlebten Katastrophen oder um Ängste vor zukünftigen Verlusten handeln. Auch wenn Menschen ihr eigenes Leben nicht durch den Klimawandel bedroht sehen, können starke Gefühle von Verantwortung, Schuld, empfundener Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit zu einer psychischen Belastung werden. ABER wenn du merkst, dass der normale Alltag schwerfällt und du einfach nicht mehr weiter weißt, kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Daneben kann auch die Telefonseelsorge dir Erste Hilfe geben. 

Aktiv werden 

Wenn die Angst um die Erde groß ist, hilft es, sich Gruppen anzuschließen, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen. Sich zu engagieren kann Wunder für die eigene psychische Gesundheit bewirken. Je nach Fähigkeiten und Vorlieben gibt es viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann daneben helfen, Hoffnung zu schöpfen und sich verbunden zu fühlen. Aktives Engagement für die Umwelt, kann Schuldgefühle und Ängste reduzieren und viele positive Auswirkungen auf das Selbst und die psychische Gesundheit haben. 

Hier vor Ort findest du folgende Gruppen, bei denen du stets willkommen bist und auf unterschiedliche Weise aktiv werden kannst: 

  • NABU Kreisverband Coesfeld: Hier kannst du aktiv werden in dem du z.B. deine Zeit spendest: Pflege von Wiesen und Baumpflanzaktionen 
  • BUND Kreis Coesfeld: Der BUND organisiert unter anderem Demos und hat eine Ortsgruppe in Olfen und Lüdinghausen für naturnahe Arbeiten 
  • Coesfeld For Future | Parents For Future: Hier findest du verschiedene Arbeitsgemeinschaften, die sich nach Interessen organisieren. Die Ortsgruppe trifft sich regelmäßig und freut sich über alle Teilnehmenden. (weitere solidarisierende Ortsgruppen von Fridays/Parents For Future findest du hier
  • Coesfeld macht Klimaschutz: Die Klimaschutzmanagerinnen der Stadt Coesfeld heißen alle Interessierten willkommen und helfen dir etwas passendes für dein Engagement zu finden. 

Darüber hinaus kannst du dich natürlich auch politisch engagieren und dich für den Schutz der Umwelt und der Natur einsetzen. Dazu gehört beispielsweise das Wählen von umweltfreundlichen Parteien oder sich an den Ausschusssitzungen zu beteiligen. Alle politischen Themen rund um Umwelt und Klima werden im Umweltausschuss der Stadt Coesfeld beraten. Im Bürgerinfoportal können alle Termine eingesehen werden. 

Verantwortung abgeben 

Nicht jede:r hat Zeit und Energie, sich für den Klimaschutz einzusetzen. So sinnvoll ein Engagement auch ist, es sollte nicht als lästige Pflicht empfunden werden. Gerade wenn es um das Konsumverhalten geht, wird den Konsumierenden eine Last aufgebürdet. Die Werbung für ökologische Produkte suggeriert oft, dass das Klima durch die Summe der individuellen Konsumentscheidungen gerettet werden kann. Dabei sind es viel mehr grundlegende und systemische Veränderungen, die vor allem durch konsequente politische Maßnahmen durchgesetzt werden müssen. Sich dies vor Augen zu führen, kann helfen, die Grenzen zu erkennen und das eigene Verhalten positiver zu sehen. (Oberberg o.D.) 


Literaturverzeichnis 

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