Last updated on 17. April 2023
Florian Klostermann (Jahrgang 1979) ist in der vierten Generation seit 2009 Geschäftsführer des Familienbetriebes Klostermann GmbH, welches in Coesfeld Pflastersteine herstellt. Nebenbei ist er aktiv im Stadtmarketingverein. Seine Lieblingsbücher sind Biographien.
Florian – bereits seit 2016 arbeitet ihr, laut eurer Website, klimaneutral. Wie kann ich mir den innerbetrieblichen Prozess vorstellen? Was habt ihr getan, um an diesen Punkt zu kommen?
Dem ging ein längerer Überlegungsprozess voraus. Gerade Betonsteinprodukte im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit steht ja auch durchaus in der Kritik. Das hängt insbesondere an einem Werkstoff, auf dem wir bis heute angewiesen sind – das ist Zement. Zement ist eine absolute Co2-Bombe. Deswegen haben wir uns gefragt, was wir selber tun können, um uns auch ein Stück weit selber auf die Reise zu zwingen. Wir wollten den gesamten Produktionsprozess nachhaltiger aufstellen. Gleichzeitig wollten wir uns im Markt als nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen positionieren.
Ich bin dann mit einer Agentur in Kontakt gekommen. Ich musste erst einmal selber verstehen, was so ein Kompensationsprozess bedeutet. Ich wollte eine Idee davon bekommen, wie unser eigener Fußabdruck ist.
Das konnten wir damals ja nicht greifen. Die Agentur hat uns dann einen CCF-Bericht, einen sogenannten Corporate Carbon Footprint Bericht erstellt. Die Mitarbeiter:innen sind durchs Unternehmen gegangen und haben jeden Stein umgedreht. Sie haben sich unsere Energieverbräuche angeschaut, aber auch beispielsweise mit welchen Autos wir fahren. Nicht betrachtet wurden die vor- und nachgelagerten Prozesse außerhalb unseres Unternehmens.
Aus unserem Blickwinkel ist allerdings die Kompensation ein Nebenprodukt. Das ausschlaggebende ist der Weg, den man einschlägt, um die Emissionen zu verringern.
Aus dem Bericht ergeben sich dann Handlungsoptionen. Ein großer Bereich fiel auf den Bereich Primärrohstoffe und auf den Bereich Energie. Das waren die ersten Anknüpfungspunkte für uns, zu sehen, wie können wir uns hier zukünftig anderweitig aufstellen.
Woher bezieht Klostermann seine Energie für die eigene Produktion?
Dies war eines der ersten Handlungsoptionen, wobei wir im Wesentlichen zwei große Dinge erreicht haben, um unseren CO₂ Ausstoß um fast 2/3 zu reduzieren.
Wir nutzen komplett regenerative Energiequellen. Und wir sprechen hier von knapp 3 Millionen Kilowattstunden pro Jahr, die nun auf reinem Ökostrom basieren. Mit knapp 10 Prozent, was eine jährliche Leistung von knapp 500 Kilowatt Peak sind, produzieren wir dies mit unseren Photovoltaikanlagen selber. Den Rest kaufen wir extern ein.
Wir setzen uns auch damit auseinander, unsere PV-Anlagen auszuweiten. Das Problem ist aktuell, dass wir nicht genügend Hallenflächen zur Verfügung haben. Aktuell überlegen wir, unsere Lagerflächen zu überdachen. Das hätte einen zweiten positiven Effekt, nämlich lagern dann unsere Produkte witterungsgeschützt. Damit beschäftigen wir uns aktuell für 2023/2024. Im Bereich der Produktion arbeiten wir auch mit Trockenkammern für unsere Produkte. Da ist es natürlich sinnvoll, über Wärmerückgewinnung nachzudenken. Das tun wir gerade in einem Projekt. Wir sind noch weit davon entfernt, dass auf unseren Zertifikaten eine Null steht, aber das ist eigentlich der echte Zugewinn.
Kreislaufwirtschaft als Stichwort: Wie geht aktuell Klostermann damit um? Nutzt ihr zum Beispiel Recyclingbeton?
Wir haben uns in dem Bereich durchaus mit der Anforderung auseinandergesetzt Primärrohstoffe zu substituieren. Das war der zweite große Baustein unserer Handlungsoptionen. Wir haben einen jährlichen Rohstoffverbrauch von 120.000 bis 150.000 Tonnen an Materialien. Angefangen von Zement über Sand hin bis zu Kies oder diverse Splitte. Das alles muss abgebaut und über weite Wege nach Coesfeld gefahren werden. Einen Großteil unserer Rohstoffe, circa 80 Prozent, beziehen wir aus einem Umkreis von 130 Kilometer. Unser Zement kommt beispielsweise aus Lengerich und der Kalksteinsplit aus dem Sauerland. Gleichzeitig haben wir aber auch in unseren Produkten sogenannte Farbechtedelsplitte in unseren Oberflächen verarbeitet. Das sind Granite – blau, gelb, rot, grün – die wir aus verschiedenen Bereichen Europas beziehen. Die kann man auch nicht substitionieren.
Im Bereich Kalksteinsplit ergibt sich aber das Potenzial, auf Sekundärrohstoffe zurückzugreifen. Also recycelte Materialien. Ein Pflasterstein besteht aus zwei Schichten – einer Oberschicht, die macht auch die Optik aus – und einer Unterschicht. Die Unterschicht macht 80 Prozent des Steins aus und hat keinerlei Gestaltungsfunktion. In dem Bereich wird Kalksteinsplit oder Rheinsand verwendet. Das sind Produkte, die wir durch Recyclingmaterialien ersetzen können.
Im Jahre 2016 haben wir hier am Standort eine komplett neue Brech- und Klassifierungsanlage aufgebaut. Wir können seitdem eigene und auch externe Altmaterial hier komplett aufbereiten. Das sind Pflastermaterialien, Ausschussware, B-Ware oder auch Projektüberhänge. Das passiert hier ohne Wertstoffverlust. Dadurch können wir 45 Prozent unsere Primärrohstoffe substitionieren.
In der Baubranche wird viel mit Holz oder Lehm experimentiert. Weitere Alternativen sind Hanfbeton oder Naturstein. Welche Stoffe der Zukunft könnte es statt Betonsteine geben?
Wir haben gerade auf unserem Betriebsgelände eine kleine Testfläche, wo wir mit geopolymere Steinen experimentieren. Geopolymerbetonen werden ohne Zementzusatz produziert. Hier beobachten wir aktuell, wie die Produkte performen. Geopolymere ist ein Flüssigaktivator, der einen hohen ph-Wert hat. Wir sind in der Versuchsphase und wollen im kommenden Jahr ein erstes Produkt mit geopolymerebeton statt Zement ersetzen. Da stehen wir aktuell aber noch vor der ein oder anderen Herausforderung, was beispielsweise Frost-Tausalz-Beständigkeit angeht. Dabei bezieht sich das Geopolymere auf die 80 Prozent Unterschicht.
Da kann man sicherlich von den aktuell 637 Tonnen CO₂ noch einmal rund 50 Prozent abziehen bei unseren Zertifikaten. Wenn wir das in Bezug auf das gesamte Sortiment umstellen würden. Das ist unser mittelfristiges Ziel.
Was glaubst Du, was muss sich in der Baubranche gerade bei der ökologischen Nachhaltigkeit im Bereich Produktion tun und was sind die größten Herausforderungen?
In der Branche haben viele Unternehmen erkannt, dass sie an Nachhaltigkeitsprojekten nicht mehr drumherum kommen. Das Thema treibt die Branche um. Wir haben einen Branchenverband unter den Pflasterherstellern, dem ich auch sechs Jahr vorgestanden habe. Das ist auch ein Fokusthema – also das Herstellung von Ökobilanzen oder auch das Thema Recycling. Man muss aber auch sagen, dass viele Hersteller, anders als wir, gar nicht die Kapazitäten in der Fläche haben.
Ich bin der Letzte, der sagen würde, dass eine zugepflasterte Innenstadt eine schöne Innenstadt ist.
Aber ja – wenn wir uns das Thema Städteplanung ansehen. Hitzeinseln in Städten. Fahr mal im Sommer nach Berlin ins Zentrum. Die Temperatur in Berlin-Mitte wird 13 Grad höher sein als im Berliner Außenbezirk. Eben weil ein Großteil der Flächen versiegelt sind. Dort ist immer weniger Grün. Hier herrscht in den Städten ein Missverhältnis zwischen Beton und Natur. Da sind wir uns schon darüber bewusst, dass unser Produkt ein wesentlicher Mitverursacher ist, aber gleichzeitig auch Teil der Lösung werden kann.
Wir dürfen nicht zu viel versiegeln und uns auf Produkte einschränken, die nicht mehr diesen Versiegelungscharakter haben. Allerdings können wir in Innenstädten jetzt auch nicht Wälder pflanzen. Aber wir müssen in unserer Branche energieeffizienter arbeiten und mehr über Recycling und Kreislaufwirtschaft nachdenken.