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Green Grabbing – der grüne Kolonialismus dieses Jahrzehnts

Last updated on 8. September 2023

Mit der ökologischen Wende wächst auch die Nachfrage nach neuen Rohstoffen für eine nachhaltige Zukunft. Ökosysteme stehen heute weltweit zum Verkauf. Dabei rücken die Ressourcen des globalen Südens wieder verstärkt in den Fokus. Große Flächen, mineralische Rohstoffe, Wasser und natürliche Arbeitskraft – mit dem vermeintlichen Ziel einer sauberen Welt. (Ngam 2022) Wie es zu dieser Entwicklung kam und was der Begriff Green Grabbing bedeutet, erfährst du hier… 

Deswegen müssen wir darüber sprechen 

Die politischen Maßnahmen, die einerseits zur Bekämpfung des Klimawandels ergriffen werden müssen, führen andererseits zu ökologischen und sozialen Nachteilen: Flächenverbrauch und Migration können zum Beispiel die Folge sein. Energiewende oder die Verkehrswende sind solche politischen Maßnahmen. Weg von fossilen Energieträgern und hin zu Solar- und Windenergie beinhaltet auch, dass neue Ressourcen erschlossen werden müssen. Was in diesem Zusammenhang jedoch vergessen wird, ist die Herkunft dieser Ressourcen und Rohstoffe. Woher kommen die Materialien für Batterien, Solarzellen und Windräder? Und entstehen dadurch vielleicht neue Probleme? 

Was bedeutet Green Grabbing? 

Unter Green Grabbing versteht man die Aneignung von Land und Ressourcen zu Umweltzwecken. Die Definition bezieht sich auf die Nutzung verschiedener natürlicher Ressourcen: von Wasser, Land und Biodiversität bis hin zu Kohlenstoffhandel oder Genpools. Mit dem Ziel des Umweltschutzes werden dadurch neue Enteignungsprozesse gegenüber lokalen Gemeinschaften und kleinbäuerlichen Akteuren ausgelöst. Green Grabbing wird als globales Phänomen mit unterschiedlichen Formen verstanden. (Backhouse 2019) 

Was ist der Unterschied zwischen Green Grabbing und Land Grabbing 

Land Grabbing  

Beim Land Grabbing (zu deutsch: Landraub) sichern sich ausländische Investoren große Flächen in Entwicklungsländern. Diese Ackerflächen werden für den Anbau von Nahrungsmitteln sowie für die Wasser- und Energieversorgung genutzt. Die gesamten Erträge werden dann aus dem Ursprungsland in die reichen Industrieländer exportiert. Das Land, dessen Agrarflächen genutzt werden, wird also ausgebeutet. (Beekmann 2021)  

Green Grabbing  

Abweichend vom skandalisierten Begriff Land Grabbing hat sich der Begriff Green Grabbing entwickelt, mit dem „Landenteignungen“ umweltpolitisch legitimiert werden sollen. Eine Voraussetzung für die Aneignung fremden Landes ist der Klima- und Umweltschutz. Das heißt, die Aneignung von Land soll der Förderung einer „grünen“ Wirtschaft dienen. Das Konzept wird sehr kritisch gesehen, da indigene Völker weiterhin von natürlichen Ressourcen ausgeschlossen werden. (Backhouse 2019) Green Grabbing ist ein Begriff, der erst seit 2012 geprägt wurde, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen hervorzuheben. (Tittor 2016) 

Welche Formen des Green Grabbing gibt es? 

  • wohlhabende Länder kaufen im globalen Süden Flächen auf: Im Internet finden sich Hunderte von Websites von Wohltätigkeitsorganisationen, Trusts und Privatpersonen, die Wälder, Felder und Berggebiete zum Verkauf anbieten, um sie vor der Zerstörung zu retten.  
  • klimapolitisch gesteuerte Landnahme: Ein gutes Beispiel dafür ist der Ausbau erneuerbarer Energien: In Mexiko werden 10.000 Windräder für den Export gebaut. Anwohner:innen kritisieren, dass dabei ihre Agrargesetze und indigenen Rechte missachtet werden. Auch Palmöl-Monokulturen haben fragwürdige ökologische Auswirkungen und sind mit der Vertreibung vieler Menschen verbunden. Viele Projekte, die mit Umweltargumenten legitimiert werden, haben ambivalente Auswirkungen auf die Ökosysteme und oft negative Folgen für die lokale Bevölkerung. 
  • Ökotourismus: Hier gibt es ein Beispiel aus Kolumbien, wo 90 Prozent der Naturflächen in private Hände übergegangen sind. Dies führte zu Enteignungen und damit auch zur Kriminalisierung der lokalen Bevölkerung. (Tittor 2016) 
Gerade indigene Völker leiden sehr unter dem Green Grabbing, obwohl sie für den Erhalt der Umwelt und Biodiversität erheblich und wesentlich zu beitragen.

Gibt es Kritik an der Begrifflichkeit?

Unter dem Begriff Green Grabbing werden zwei unterschiedliche Intentionen zusammengefasst, ohne zwischen dem Greenwashing umweltzerstörerischer Politik und tatsächlichen ökologischen Impulsen mit negativen Auswirkungen zu unterscheiden. Der Begriff fokussiert also nicht die ökologische Wirkung, sondern auf die Legitimation. (Tittor 2016) 

Und JETZT? 

Veränderung unseres Marktes 

Das Ziel einer grünen Umwelt führt weiterhin zu Flucht und Massenmigration, wenn wir die globalen Auswirkungen unserer Praktiken nicht sehen.  Die Verantwortung liegt bei den industrialisierten und wohlhabenden Ländern. Es kann nicht die Lösung sein, dass wir Elektroautos fahren und dafür andere Teile der Welt ausgebeutet werden. Ein 1:1-Ersatz unseres Konsumverhaltens wird weiterhin zu Problemen führen. Das heißt: Wenn das Ziel eine nachhaltige Entwicklung sein soll, muss sich stattdessen der Markt verändern und eine stärker vernetzte sozial-ökologische Basis entstehen. (Leach, 2012) 

Verantwortung der EU 

Umweltpolitische Maßnahmen sollten auch dazu beitragen, soziale Ungleichheiten zu verringern. Die am stärksten gefährdeten Menschen sind am wenigsten für Umweltveränderungen verantwortlich. Die Vorteile einer Maßnahme müssen daher auch den Schwächsten zugutekommen. Soziale und ökologische Gerechtigkeit müssen bei allen Entscheidungen gemeinsam berücksichtigt werden. Dazu ist es notwendig, die Ursachen der Umweltzerstörung zu bekämpfen und nicht ihre Symptome. (Vigil, 2019) 

Eine Welt ohne Armut und Hunger ist möglich!

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 

Die 17 Nachhaltigkeitsziele sollen als Orientierung für eine nachhaltige globale Entwicklung bis 2030 dienen.  Mit diesen Zielen soll eine Transformation der Welt erreicht werden, in der alle Menschen sozial, ökologisch und ökonomisch erfolgreich handeln. 

Soziale und ökologische Entscheidungen müssen stärker bei politischen Entscheidungen mit einbezogen werden.

Was kann ich tun? 

Die Organisation Brot-für-die-Welt hat einige Fälle von Landgrabbing und deren Auswirkungen untersucht. Sie fordern verbindliche nationale und internationale Regeln, wie z.B. das Lieferkettengesetz, um menschenrechtliche Standards zu setzen. Green Grabbing ist natürlich von Landgrabbing zu unterscheiden, aber wir möchten hier noch einmal die Möglichkeiten aufzeigen, die sich aus den Erkenntnissen ergeben haben. Um allgemein gegen Landenteignungen vorzugehen, spricht die Organisation Empfehlungen an Bürger:innen aus: 

  • Petitionen unterstützen und an Abgeordneten schreiben 
  • an Demonstrationen für alternative Wirtschaftsweisen (gegen Landraub) teilnehmen 
  • Anlagestrategie der eigenen Bank auf Landkäufe überprüfen.
  • bewusste Kaufentscheidungen treffen – Konsumverhalten und den damit verbundenen Verbrauch natürlicher Ressourcen überprüfen 
  • Energie- und ressourcenschonend leben und damit gleichzeitig den Landverbrauch reduzieren 
  • in deinem Umfeld über Landraub sprechen. Je mehr Menschen sich engagieren, desto besser (Kruckow o.D.) 

Aktuelle Aktion von Fridays for Future: Rette das Klimaschutzgesetz!

Statt die Energie- und Verkehrswende voranzutreiben, plant die Ampel gerade einen riesigen klimapolitischen Skandal: Eine Abschwächung des Klimaschutzgesetzes. Überprüfbarkeit der Ziele, Planungssicherheit und klare politischer Verantwortung sollen abgeschafft werden. Doch: Erste Parlamentarier haben bereits angekündigt, den Änderungen nicht zustimmen zu wollen. Das nutzen wir: Zusammen mit Dir fluten wir die Postfächer der Abgeordneten und machen ihnen klar, dass Sie den Änderungen keinesfalls zustimmen dürfen!


Literaturverzeichnis 

  • Backhouse, Maria (2019, 26. August) Green Grabbing. Wörterbuch Land- und Rohstoffkonflikte https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-4433-3/woerterbuch-land-und-rohstoffkonflikte/ 
  • Beekmann, S. (2021, 12. Februar). Land Grabbing verständlich erklärt: Wie Konzerne Land rauben. Utopia.de. https://utopia.de/ratgeber/land-grabbing-verstaendlich-erklaert-wie-konzerne-land-rauben/ 
  • Fairhead, J., Leach, M. & Scoones, I. (2012). Green Grabbing: a new appropriation of nature? The Journal of Peasant Studies, 39(2), 237–261. https://doi.org/10.1080/03066150.2012.671770 
  • Kruckow, Caroline (o.D): Mit Landrechten gegen Lanmdraub. Brot für die Welt.  https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/land-grabbing/ 
  • Leach, M. (2012, 20. Juni). The dark side of the green economy: ‘Green grabbing’. Environment | Al Jazeera. https://www.aljazeera.com/opinions/2012/6/20/the-dark-side-of-the-green-economy-green-grabbing/ 
  • Ngam, Roland (2022, 3. November). Green Grabbing beenden. Zeitschrift Luxemburg. https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/green-grabbing-beenden/ 
  • Tittor, Anne (2016) „Green Grabbing.“ Interamerikanisches Wiki: Begriffe – Konzepte – Kritische Perspektiven. https://www.uni-bielefeld.de/einrichtungen/cias/publikationen/wiki/g/green-grabbing.xml  
  • Vigil, S. (2019, 3 Dezember). Am Ground Zero des Klimawandels: Green Grabbing, Massenmigration und die Rolle Europas. BG | BERLINER GAZETTE. https://berlinergazette.de/klimawandel-green-grabbing-massenmigration-afrika-europa/ 
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